Bärtierchen - Tardigrada





Zu den seltsamsten Wesen in der Welt der mikroskopisch kleinen Lebewesen gehören die Bärtierchen.
Es gibt weltweit über eintausend registrierte Arten, die sich sehr schnell weiter entwickeln und sich ihren örtlichen Lebensbedingungen ausgesprochen schnell anpassen können. Jährlich werden bis zu zehn neue Arten entdeckt.



Unter dem Mikroskop sehen sie total unscheinbar aus. Sie halten nie still und sind andauernd am Fressen.






Es ist kaum möglich sie scharf abzulichten. Erst nach einer aufwendigen Präparation erkennt man mit dem Elektronenmikroskop faszinierende Einzelheiten ihres Körperbaus.











Man hat sie im Lateinischen als Tardigradia bezeichnet. Tardus bedeutet „langsam“ und gradus ist der Begriff für den „Schritt“. Anton van Leeuwenhoek, ein niederländischer Naturforscher entdeckte 1702, beim Aufweichen von vertrockneten Moosproben im Wasser, dass im Moos kleine Lebewesen erwachen und nach kurzer Zeit aktiv werden.

Die Bärtierchen leben unter Baumrinden, in Teichen, Dachrinnen und im feuchten Moos. Dort fühlen sie sich am wohlsten. Sie sind kleiner als einen Millimeter. Mit ihren acht Beinen sehen sie aus wie kleine Raupen, die nur ein Maul besitzen. Äußerlich faltig und unscheinbar sind sie doch wahre Überlebenskünstler. Sie besitzen ein Nervensystem und verfügen über sehr starke Muskeln. Ihre Außenhaut ist ausgesprochen widerstandsfähig und trotzdem hochelastisch. Ihre Haut ist nur fünf tausendstel Millimeter dick und besteht aus drei Schichten.



Sie häuten sich regelmäßig in Abständen, deren Zeitspannen von den Umgebungsbedingungen abhängen. Mit ihren Körperbewegungen unterstützen sie ihre Verdauung. Sie leben eingeschlechtlich, legen ihre Eier in die abgestoßene Haut-Hülle und sind mit keiner uns bekannten Tiergattung verwandt. Man hat sie deshalb in die Schublade der Häutungstiere einsortiert.











Die Bärtierchen ernähren sich von Kleinalgen, abgestorbenen Pflanzenresten und Kleinlebewesen im Wasser. Sie saugen mit ihrem Maul die Nahrung an und zerkleinern sie mit einem scharfen Zahnkranz der sich hinter der Maulöffnung befindet. Das Maul funktioniert wie ein Saugrüssel, der ausgefahren, wie ein großer Staubsauger Schlauch aussieht. Rädertierchen und Fadenwürmer gehören zu ihrer Lebendbeute, die einfach mit einem kräftigen Saugstrahl in den Schlund befördert werden.


Ihre Widerstandkraft gegenüber den Umgebungsbedingungen ist enorm. Sie halten Temperaturen von über 150 Grad stand und ertragen Minustemperaturen von 270 Grad. Im Vakuum des Weltraums haben von zehn Bärtierchen acht über einen Zeitraum von zehn Tagen überlebt.
Diese Versuche wurden im Jahr 2007 mit dem Experiment Foton M3 und dem BIOLAB M6 gemacht. Die Biosonde wurde mit einer Sojus Rakete in eine 270 Km Umlaufbahn gebracht und umkreiste die Erde 12 Tage lang. Bei Druckkammer-und Bestrahlungsversuchen mit Röntgen-, UV-Strahlung und Drücken von 1000 bar blieben die Bärtierchen unbeeindruckt. Berechnungen zufolge könnten sie über 100 Jahre alt werden. Man hat schon fünf Häutungen bei einer Spezies beobachtet. In Experimenten hat man festgestellt, dass die Bärtierchen 18 Jahre lang im kryptobiotischen Zustand verbringen können. Sie versetzen sich dabei in einen todesähnlichen Zustand und fahren ihre Lebensfunktionen komplett herunter. Ihr Stoffwechsel arbeitet dabei am absoluten Minimum.












Wenn sich die Lebensbedingungen wieder positiv verändern, erwachen die Bärtierchen aus ihrem Tiefschlaf. Nach etwa 20 Minuten drücken sie ihre Beinchen nacheinander aus dem zusammengekrümmten Körper. Es sieht unter dem Mikroskop aus als wenn acht Beinchen nacheinander aus einer Tonne heraus ploppen. Das geht blitzschnell und ist faszinierend zu beobachten.

Die Wissenschaft hat sich intensiv mit ihnen beschäftigt- und wie sollte es anders sein – wieder mal gestritten, wer nun recht hat. Wie schon so oft wurde mit widersprüchlichen Darstellungen die Fachpresse und die Medien angeheizt:



Hier die Meldungen von Spiegel online Wissenschaft und National Geographic.

Bärtierchen tragen weit mehr fremde DNA in ihrem Genom als von jedem anderen Tier bekannt ist, berichten Bob Goldstein von der University of North Carolina und Kollegen im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences". 6000 sogenannte Alien-Gene entdeckten die Forscher im Bärtierchengenom. Damit stammt jedes sechste Gen (17,5 Prozent) aus einem anderen Lebewesen.

Georgios Koutsovoulos von der University of Edinburgh und Kollegen veröffentlichten bereits kurz nach der ersten Studie die vorläufige Zusammenfassung einer zweiten Genanalyse, in der sie die gleiche Bärtierchenart genetisch untersucht hatten wie ihre Vorgänger. Auch die DNA-Proben stammten aus dem gleichen Labor, allerdings fanden die Forscher nur ein bis zwei Prozent Fremdgene.




Wie kam es nun zu den widersprüchlichen Forschungsergebnissen?


Es hat sich herausgestellt dass die Bärtierchen Nahrungsbakterien und deren Gene in ihrem Körper aufbewahren. Das geschieht beim Austrocknungsprozess. Die Bakterien und ihre Gene werden im ausgetrockneten Körper eingeschlossen und geschützt. Diese Gene werden von dem Bärtierchen nach dem Aufwachen dringend benötigt. Nach der langen Zeit der Austrocknung sind seine eigenen Gene teilweise zerstört. Es repariert mit den Genen der Bakterien seine eigenen defekten Gene. Dadurch entsteht eine Vielfalt neuer, völlig unbekannter Genkombinationen.










Mit ihren gezielten Genmanipulationen überleben die Bärtierchen, seit Millonen von Jahren, die widrigsten Umweltbedingungen und produzieren damit jährlich über zehn neue Arten.  :)

Sie passen sich sehr schnell an die sich verändernen Umweltbedingungen an. Wir können von Ihnen sicher eine Menge lernen. Salopp gesagt: Sie überleben durch gezielte Gen-Manipulation!

Heute wissen wir, dass es die Bärtierchen seit über 150 Millionen Jahren auf unserem Planeten gibt und dass sie bisher 5  Massensterben auf der Erde überlebt haben. Es gibt vier fossile Funde aus der Kreidezeit, die genau die heutige Körperform der Bärtierchen aufweisen.

Die Tardigradia werden zu den letzten Lebewesen gehören, die noch auf der Erde existieren können, wenn alles höhere Leben bereits ausgestorben ist.


Die folgenden Aufnahmen wurden mit einem Hitachi S-4000 im Rahmen einer Projektarbeit am Schülerforschungszentrum Nordhessen und der UNI Kassel gemacht.



Es folgen ein paar Aufnahmen aus den Anfängen der ersten Präparationsversuche.










Auf den ersten beiden Bildern sehen wir die Bärtierchen auf dem Präparate-Träger. Es wurde mit 160 facher Vergrößerung, unter dem normalen Mikroskop und im Auflichtverfahren, fotografiert.

Das Präparat war unsauber und wurde mit Gold besputtert. Zur besseren Darstellung wurden die beiden Bärtierchen auf dem zweiten Bild mit dem Bildbearbeitungsprogramm freigestellt. Man kann gerade so ihre Umrisse erkennen.

Unter dem Elektronenmikroskop wurde dann das ganze Malheur mit der Präparation sichtbar. Der Trocknungsprozess und die Fixierung gingen voll dabeben. Das Bärtierchen ist eingeschrupft und zusammengefallen. Trotzdem kann man erkennen wie hochelastisch die Außenhaut der Bärtierchen ist, wenn sie sich zusammenfalten um den widrigsten Umweltbedingungen zu trotzen.







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