Historische Präparate
Historische Präparate - Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Phanerogamen
Bei den hier gezeigten Schnitten von Pflanzen und Sämlingen handelt es sich um historische Präparate, die aus dem Fundus einer aufgelösten Apotheke in Bautzen stammen.
Diese Apotheke wurde im Jahr 1699 gegründet und ihr erster Betreiber hat von Kurfürst Friedrich August dem 1. die Genehmigung bekommen, seine Waren feilzubieten. Das durfte aber nur innerhalb der Stadt Bautzen geschehen, bzw. nur so weit, wie der Adel wohnte.
Hier ein Auszug aus dem Original Text:
„ ... das er, als Unsser Schloß Apotheker auff gedachtem Unser Burg Lehn zu Budissin sich ankauffen, und nach seinem Gefallen daselbst eine Schloß Apotheke aufrichten möge, jedoch dergestalt und also, das Ér seine Apotheker Waren nicht weiter als die von Adel, fremde und außerhalb der Stadt und Raths Jurisdiction wohnenden Personen und Leuthe bey Straffe von Drenßig Gold Gülden….. zu verkaufen befugt seyn.“
Der erste Betreiber hieß Michael Laube. Die Apotheke stand in der Schloßstraße 21 in Bautzen und wurde vermutlich durch Anordnung von Kurfürst Friedrich August als "Schloß-Apotheke " ins kurfürstliche Bauregister der Stadt Bautzen eintragen lassen. Die Apotheke hatte bis zum Jahr 1901 nachweislich siebzehn Besitzer. Heute befindet sich in der Schloß-Apotheke in Bautzen ein edles Restaurant.
Um 1940 war der Apotheker Paul Leidler der Inhaber, der die hier gezeigten Präparate von der „Geschäftsstelle Mikrokosmos Frank‘sche Verlagshandlung Stuttgart“ erstand.
Die Präparate wurden im Labor von Prof.Dr.Fr. Sigmund hergestellt und liefen als kompletter Satz unter dem Titel „ Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Phanerogamen “
Die folgenden Aufnahmen sind aus dem oben gezeigten Präparat entstanden und zeigen ein Weizenkorn aus der damaligen Zeit im Längsschnitt und im Querschnitt.
Vermutlich hat keiner der Präparatebesitzer die Präparate jemals so betrachten können wie wir sie hier sehen, zumal sie zwei Weltkriege unbeschadet überstanden haben.
Die leichten Verzeichnungen unten links in Bild 2 und 4 stammen von der Polfilterfolie durch die fotografiert wurde und die optisch natürlich nicht an die Qualität der Mikroskop-Optik heranreicht.
Beachtenswert sind die Zellen (Tracheen), die im polarisierten Licht nur mit ihrem äußeren Skelett zu sehen sind.
Es folgt eine Bilderserie vom Querschnitt durch das Weizenkorn. Diese Aufnahmen stammen auch von einem der Sigmund Präparate.
Auch die Stärkekörner im Inneren des Weizenkorns sind sehenswert. Durch einen Polfilter fotografiert erscheinen sie hell leuchtend auf schwarzem Grund. Bild 3 zeigt die Originalaufnahme vom Präparat, ohne nachträgliche Bildbearbeitung.
Hier kann man die Hellfeldaufnahmen im Wechsel mit den Polfilter-Aufnahmen sehen:
Weizenkorn-polarisiert.gif Strke-polarisiert.gif
Es folgen noch ein paar sehenswerte Detailaufnahmen. Das letzte Bild hat eine Bildbreite von 0,3 Millimeter, bei 400 facher Vergrößerung.
Die folgenden Bilder sind ebenfalls von einem uralten Weizenkorn Präparat, stammen aber aus dem Labor von Dr. Schlüter und Dr.Mass aus Halle an der Saale. Die Bilder wurden mit der gleichen Aufnahmetechnik wie die 100 Jahre alten Präparate von Dr.Sigmund aufgenommen.
1853 gründete Wilhelm Schlüter eine Naturalien und Lehrmittelhandlung mit Firmensitz in Halle an der Saale. In einem Preisverzeichnis von 1878 wurde die Herstellung der Präparate unter dem Namen „Dr. Schlüter-Naturhistorisches Institut“ , angepriesen.
1912 lief der Betrieb unter den Namen Dr.phil. Curt Schlüter und Otto Mass weiter. In der Ludwig Wucherer Str. 9 wurden mit 6 Angestellten biologische Präparate hergestellt, die als Lehrmittel für höhere Schulen und Universitäten angeboten wurden.
Der Firmensitz in der Ludwig Wucherer Str.9 wurde 1961 von einem Herrn A.Schlüter aufgelöst.
Es folgen ein paar Bilder vom Samenkorn einer Fichte das über 70 Jahre alt ist. Leider sind die Schnitte ein wenig schief und dadurch auf einer Seite etwas zu dick. Das Samenkorn hat einen Durchmesser von knapp zwei Millimeter.
Hier sehen wir ein Präparat, das einen Schnitt durch den Samen des gemeinen Kerbels zeigt. Der Begriff gemein hat heutzutage sicherlich eine andere Bedeutung als 1940.
Der einfache Kerbel - Anthriscus spec.
Es folgt eine Bilderserie die das Eindringen einer Mistelwurzel -
Viscum album - in den Sproß einer Linde zeigt.
In dem Präparat finden sich zwei Wurzelspitzen. Eine oben und eine, etwas größere, unten.
Die obere Wurzelspitze liegt waagrecht und ist auf den folgenden Bildern zu sehen.
Das erste Bild ist ein Übersichtsbild auf dem der Ausschnitt der folgenden Aufnahmen dargestellt ist, die im polarisierten Licht gemacht wurden.
Leider ist nicht bekannt mit welchen Färbungen bei den Schnitten damals gearbeitet wurde. An den leichten Unschärfen in den Bildern sieht man, mit welchen Problemen die Präparatoren beim Schneiden von Holz damals zu kämpfen hatten.
Trotz allem, sind die Präparate hervorragend gelungen und dürften zur damaligen Zeit zu den Spitzenpräparaten gezählt haben, die käuflich zu erwerben waren.
Ein besonderes Highlight sind diese Bilder von den Sternhaaren einer Ölweide. Es wurden 2 unterschiedlich präparierte Sternhaare verwendet um einmal den Polarisationseffekt darzustellen.
Beim zweiten Präparat entstehen ganz andere Farben weil der Lack, mit dem die Sternhaare eingegossen wurden, eine andere Zusammensetzung hat als beim ersten Präparat.
und hier noch ein paar Detailaufnahmen der Sternhaare im polarisierten Dunkelfeld.
Je mehr rote Anteile bei der Polarisation ins Spiel kommen um so unschärfer wird das fotografische Bild. Das hängt vermutlich mit der Rotempfindlichkeit des Kamera-Chips zusammen.
Durch die intensiven Recherchen über die Herkunft der Präparate ist es Wolfgang Grigoleit gelungen, die dazugehörenden Begleithefte zu erstehen.
Anbei ein paar Bilder vom Präparat einer Osterluzei im Tangentialschnitt, sowie ein paar Ausschnitte aus dem Begleitheft. Das Begleitheft und die Präparate wurden von der Frankschen Verlagshandlung Stuttgart 1910 auf den Markt gebracht.
Die Präparate sind einhundert Jahre alt und noch sehr gut erhalten, obwohl sie fototechnisch gesehen eigentlich nicht viel hergeben.
Die Nessel-Seide - cuscuta europaea- zählen die Botaniker zu den Windengewächsen. Diese Pflanze ist ein Schmarotzer, der sich gerne über krautige Pflanzen hermacht. Brennesseln, Hopfen und Doldenblütler zählen zu ihren Lieblingswirtspflanzen.
Bildnachweise in der Fußzeile der Bilder
Im Hellfeld kann man sehen, wie die Nessel-Seide in die Pflanze bis zu deren wasserleitenden Zellen eindringt. Sie zapft ihren Wirt an, ohne ihn zu beschädigen.
Im polarisierten Licht sieht man die Mineralienstrukturen der Wirtspflanze aufleuchten. Es handelt sich hier um den Doldenblütler Chaerophyllum aromatic.
Ein weiteres interessantes Präparat aus der historischen Serie ist die Vogel-Nestwurz:
Neottia nidus avis
Die Schwarz Erle - Mykorhiza von Alnus glutinosa
Die Schwarz Erle zählt man zur Gattung der Birkengewächse. Sie besiedelt feuchte, von Grundwasser durchzogene Böden. Auch am Rand von Sumpfgebieten findet man diesen Laubbaum, dessen frisch geschnittenes Holz eine leichte Rotfärbung annimmt.
Die Schwarz Erle wurde in Deutschland 2003 zum Baum des Jahres gewählt.
Bildnachweise in der Fußzeile der Bilder
Es erstaunt immer wieder wie sauber sich die 100 Jahre alten Präparate abbilden lassen und wie gut Ihr Erhaltungszustand ist.
Im polarisierten Licht leuchten die Mineralstoffe zwischen den Pflanzenzellen auf.
Die Türkenbund Lilie - Lilium Martagon
Ein hauchdünn geschnittenes Präparat vom Pollen einer Lilie. Das Präparat ist so exakt geschnitten, dass man sich fragt wie man das vor 100 Jahren hergestellt hat. Kaum Schmutz zwischen den Pollen und eine saubere Schnittführung zeichnen dieses Meisterstück aus.
Übersichtsbild: Bildnachweis in der Fußzeile des Bildes
Die Positionen der Pollensäckchen im ersten Bild und dann die drei folgenden Bilder in 400 facher Vergrößerung
Mein Dank gilt Wolfgang Grigoleit für das Ausleihen der Präparate, die er für ein paar Euro aus dem Internet erstanden hat.
In der Zwischenzeit ist über die Sigmund Präparate ein Buch entstanden. Der Studiendirektor Gerhard Terstegge aus Lübbecke hat in jahrelanger Arbeit die Sigmund Präparate fotografiert. Ihm stand ein fast kompletter Präparate-Satz als Lehrmaterial an seiner Schule zur Verfügung. Die Firma Precipoint hat die Präparate mit einem M8-Scanning-Mikroskop digital eingescannt. Dadurch sind riesige zoombare Mikro-Aufnahmen entstanden, die absolut sehenswert sind.
http://www.zauberhafte-mikrowelt.de
und hier noch der Link zu einem Bericht aus der Neuen Westfälischen Zeitung
http://www.nw.de/lokal/kreis_minden_luebbecke/luebbecke/luebbecke/8931835_Alte-Praeparate-bergen-erstaunliche-Bilder.html
Das Buch "Zauberhafte Mikrowelt" ist hier gut beschrieben http://hachinger-verlag.de/buecher/mikroskopie/zauberhafte-mikrowelt.html
Es folgt noch ein Link zur Vorstellung des Scanning Mikroskops der Firma Precipoint
http://www.precipoint.de/m8-microscope/